Dienstag, 8. Dezember 2015
Fender Champion "600"


Röhren-Combo, 5W, 6'' Speaker (Anschluss für einen externen Speaker möglich), 12AX7A (1), 6V6 (1), 28x31x19cm (HxBxT), 7kg

Tja. Mit gigantischem Abstand hat er sämtliche Thomann Bestseller-Listen dominiert, kostete dieses kleine Schnuckelchen, ein originalgetreues Re-Issue des 1949-1953 gebauten Amps, doch gerade einmal lächerliche 79,- Euro, wenn ich mich richtig erinnere. Die Foren waren voll mit Tuning-Tips, wobei nur zwei wirklich notwendig waren: einmal Röhrentausch und einmal den billigen, schnell plärrenden Original-Speaker gegen einen Jensen JCH615-4 (der mit 15W Belastbarkeit beinahe etwas überdimensioniert erscheint - dafür aber eben auch höhere Pegel erlaubt, bis der Amp in die Sättigung übergeht und einen wirklich einmaligen, extremen, man könnte sagen: fast kranken Sound produziert. Das alles zusammen kostete einen vor ca. fünf Jahren alles in allem schlimmstenfalls 30,- Euro und war jeden Cent wert.


Das nennt man wohl "spartanische Ausstattung": Ein Volumen-Poti, zwei Eingänge (die wirklich Sinn machen!), ein Ein-/Aus-Schalter und eine rote Leuchtdiode. Braucht es mehr? Ohne Einschränkung: Nein! Der Amp reagiert extrem sensibel auf die Wahl (auch Bauweise) des Instruments, die Ausgangsimpendanz der Tonabnehmer, die Stellung von Volumen- und Tone-Poti, so dass man sämtliche Soundgestaltungen auf diesem Weg vornimmt und nicht am Amp. Effektpedale machen in der Regel keine Probleme, ich hatte einige Electro-Harmonix Nao Treter, ein digitales Delay sowie ein - für gewöhnlich zum Scherereien bereitenden neigendem Alesis Multi-Effektpedal im Test. Vorsicht walten lassen sollte man auf jeden Fall mit jeder Form von Vorverstärkung, Boost-Funktionen und/oder Bassanhebungen.

Für mich als Bassisten war insbesondere der Speakertausch obligatorisch (der originale plärrte bei geringsten Lautstärken und schlug bei kleinsten Dynamikspitzen an). Natürlich kann man keinen Fünfsaiter anschließen und mehr als Gesprächslautstärke bei zerrfreiem Sound erwarten; aktive Preamps vergisst man besser gleich. Der Champion 600 liebt zweifelsfrei passive Vintage-Modelle (mit Flatwounds!!!), so sehr, dass die Sonne aufgeht. Hier ist immerhin Zimmerlautstärke möglich und im Studio bekommt man mit sensibler Mikrofonabnahme auf diese Weise einen wirklich authentischen Vintage-Ton - vorausgesetzt, man nimmt sich ein wenig Zeit mit Ausgangspegel, Bedämpfung der Pickups durch den Tone-Regler, die Wahl des Kabels (siehe Foto - das ist kein Witz!). Und man wählt natürlich den "Low"-Eingang nehmen. Der Lohn: ein neues Universum. So klingt kein einziger Bassamp, den ich je gespielt habe. Aber da ist er, zumindest näherungsweise: der Sound, mit dem James Jamerson und Bob Babbitt Hunderten von Sängern und Gesangsensembles zu "ihren" #1-Hits und Goldenen Schallplatten verholfen haben. Und das für - wie gesagt - summa summarum - ca. 100,- Euro. Unglaublich.

Gitarristen machen in der Regel große Augen beim ersten Anspielen. Treibt man die Röhren nämlich leicht in die Sättigung, so erhält man einen extrem eigenwilligen, leicht kranken Overdrive-Ton á la Rick Holmstrom, der einfach nur Spaß macht. Auch hier sind durch die 5 Watt natürliche Grenzen gesetzt und auch Gitarristen müssen ein wenig Fingerspitzengefühl und Geduld an den Tag legen - bereuen wird man es nicht. Mikroabnahme oder gleich mehrere Champions dürften das Lautstärke-Problem elegant lösen.

Völlig unerklärlich, warum dieser Amp, der auch optisch mit seinem schlichten 50's-Look eine Augenweide ist, praktisch über Nacht aus den Online-Stores verschwunden ist. In den USA gibt es ihn noch - für rund 100,- Euro mehr. Auch das ist immer noch ein Preis, bei dem ich zuschlagen würde.